Der Lichthag 

Der Lichthag, der sich von den Ausläufern des Finsterkamm bis hinauf in die höchsten Gipfel mit ihren steilen und unwirtlichen Tälern zieht, offenbart, den Vegetationsstufen folgend, eine hohe Differenzierung in Flora und Fauna. Ausgehend von einer Mittelgebirgslandschaft, wie sie in Hundsgrab und Dergelstein noch vorherrschend ist, mit Schweinsmast und dem bescheidenen Anbau von Kohl, Rüben und Futterpflanzen für den Eigenbedarf, verdichten sich die Wälder, je näher man den Steillagen der Berge kommt, immer mehr. Schlehen, Ebereschen und Esskastanien weichen Tannen, Eiben und Fichten. Findet man in den tiefer gelegenen Regionen noch Pilze[1] und Waldbeeren, so verdichtet sich das Unterholz immer mehr und erschwert sogar die allerorts betriebene Holzwirtschaft. Kaum ein Fleck, an dem man noch auf den allseits beliebten Waldmeister trifft.

Nahe der Baumgrenze weichen die Nadelbäume letztlich den Koniferen und Krüppelarten, die sich an die steilen Hänge krallen und mit ihren verwachsenen Ästen im treibenden Nebel allzu oft wie gebeugte Menschen wirken.

Im Lichthag liegen die Baronie Beldenhag, Baronie Dergelstein mit Gut Boronshof, Baronie Finsterkamm mit Gut Schroffenstein, Baronie Finsterrode mit Gut Schwertsleyda, Baronie Greifenhorst mit Gut Breitenhof, Baronie Helbrache, Baronie Hundsgrab mit Burg Pechackern, Baronie Nebelstein und Baronie Schnayttach mit Gut Pilzhain.

Der Finsterkamm

Wegscheide zwischen den zivilisierten Landen und unwegsamer Wildnis voller unwägbarer Gefahren ist der Finsterkamm, jener hohe Gebirgszug, der voll düsterer Majestät die Landschaft in seinem Schatten beherrscht.

Kühn erheben sich die bis zu 2500 Schritt hohen Kalksteingipfel in den Himmel, bizarre, steinerne Massive, die so unheilverkündende Namen wie Schwarzkuppe, Sturmhöhe, Nebelstein, Orkenmaul und Drachenkopf tragen. Dem Wanderer eröffnet sich eine Welt voller schroffer Schönheit, jähe Felswände, die hunderte von Schritt in die Höhe ragen, tief eingeschnittene Täler, so eng, daß kaum ein Strahl Sonne an den Grund vordringt, zerklüftete Geröllhalden, vor denen man sich tunlichst hüten sollte, sind sie doch ein trügerisches Terrain. Die Flanken der Berge sind von Höhlen zerklüftet, die sich bis tief in das Innere des Massivs erstrecken können, natürliche Labyrinthe voller Geheimnisse.

Und doch, so düster sich der Finsterkamm üblicherweise seinem Betrachter zeigt, bisweilen, wenn Praios just sein Antlitz über die Gipfel erhebt und das Morgenlicht die Welt in einen sanften gold-rosafarbenen Schein taucht, wenn dann die Frühnebel in zarten Schwaden aus den Tälern aufsteigen, dann zeigt sich einem das Massiv in atemberaubender Schönheit.

Am Fuße und an den niedriger gelegenen Hängen des Finsterkammes wachsen düstere Wälder, beherrscht von hohen Tannen, Lärchen, Fichten und Firunsföhren, durch deren Nadelkleid sommers wie winters nur vereinzelt ein Sonnenstrahl dringt.

Hier läßt es sich besser vorankommen als in den Forsten in den Niederungen, gedeiht in dem dämmerigen Zwielicht doch nur wenig Unterholz. Allein es hilft einem wenig, führen die Wege führen doch ins Niemandsland, einmal abgesehen von der Straße nach Lowangen, dem Saljethweg, einem Paß, der schon den Elfen bekannt war, die einstmals hier gesiedelt haben. Außerdem gibt es einige kleinere Pässe, so den Nebelpaß, der durch den Untergang der thuranischen Legion zu trauriger Berühmtheit gelangt ist. Die meisten anderen aber sind nur wenigen Wanderern, Jägern und Fallenstellern bekannt.

Steigt man höher hinauf in die Berge, wird die Vegetation merklich dünner, müssen die mächtigen Nadelbäume Krüppelkiefern und niedrigem Gebüsch weichen, bis schließlich das Klima so rauh geworden ist, daß allein noch Gräser und Flechten sich auf den nackten Felshängen behaupten können.

 

Nur selten sieht man die Gipfel klar im Praiosschein, meist umwölken dunkle Wolken die Häupter der Bergriesen oder es liegt ein Dunstschleier in der Luft. Der Finsterkamm gilt als ein launisches, zorniges Gebirge, das eifersüchtig darauf bedacht ist, daß die Menschen sich nicht allzu keck vorwagen. Plötzlich auftretender Nebel, der unversehens die schmalen Pfade durch einen alles verdeckenden Schleier verhüllt, und einem jegliche Orientierung raubt, hat schon manchen Wanderer überrascht. Dann heißt es niederkauernd und ausharren, bis es aufklart, will man nicht einen Fehltritt riskieren. Wenn, ja wenn nicht zugleich ein eisiger Hauch von den Höhen niederfährt, der einen binnen von Atemzügen bis auf die Knochen durchfriert, und einen zwingt, sich tastend einen Weg hinab zu suchen.

Auch plötzliche Hagel- und Schneestürme sind manchem Reisenden schon zum Verhängnis geworden, zumal der Finsterkamm sich um die Jahreszeit nicht schert. Wenn ihm nach einem Unwetter ist, so sagt man im Volksmund, dann schneit es auch einmal im Rahja dichte Flocken, die einem der wütende Wind um die Ohren peitscht, bis einem Hören und Sehen vergeht.

Im Winter gehen nur Narren ins Gebirge, so sagt man. Dann nämlich, wenn das ganze Land unter einem dichten Kleid aus mannshohem Schnee liegt, hält Firun eiserne Wacht über die Berge. Wo vormals enge Pfade zu erkennen waren, liegt nunmehr eine glatte eisige Schneefläche vor einem, jungfräulich und ohne jeden Fehl. Wehe aber demjenigen, der so dumm ist, seinen Fuß auf den vermeintlich sicheren Grund zu setzen. Wie viele Ungestüme und Tollkühne haben schon ihr Leben lassen müssen, wenn sich unter dem festen Schnee eine Spalte auftat oder sie mit einem Schneebrett in die Tiefe stürzten. Auch Lawinen haben schon manchen in den Tod gerissen, der sich auf sicherem Wege wähnte. Erst vor drei Jahren fanden ein paar Händler mit ihren Tragtieren ein schreckliches Ende, als sie in den Höhen des Saljethpasses vom Schnee verschüttet wurden.

 

Altenau Breitenau Greifener Land Harschenheide Märkischer Reichsforst 



[1] Die Palette der Speisepilze, die in den dichten Wäldern wachsen, ist ungemein breit gefächert und reicht von den begehrten Dergelsteiner Trüffeln über Steinpilze und Schwammerln bis hin zu Pfiffenstock und Bitterling. Auch giftige Pilze finden sich zu Hauf und schon so mancher Fremde beschloss sein Leben nach einem reichhaltigen Mahl selbstgepflückter Waldpilze.